Das Dorf der Freundschaft ist ein internationales Versöhnungsprojekt. Es wurde durch den ehemaligen US-Soldaten George Mizo initiiert. Es bietet Menschen, die unter den Spätfolgen des Vietnamkrieges leiden – geistig und körperlich behinderten Kindern und Jugendlichen sowie Älteren – Hilfe und Unterstützung.

DER KLEINE UNTERSCHIED

Aus dem Traum eines Vietnam-Veteranen wurde Wirklichkeit: Das von George Mizo gegründete Versöhnungsprojekt »Dorf der Freundschaft« ist heute ein Ort der Hilfe für mehr als 150 Menschen. Ein Reisebericht aus einem Land, in dem Vergangenheit und Zukunft dicht beieinander liegen.

Text und Bilder von Rosi Höhn-Mizo, Rainer Hub, Ali Ottmar

Vietnam - ein Krieg - lange her und weit weg. Heute wirbt der Staat um Touristen mit dem Slogan »a destination for the new millenium«. Vietnam - ein Land mit einer überwiegend jungen Bevölkerung, die ganz selbstverständlich das Bild von Britney Spears neben das von »Onkel Ho«, dem ehemaligen Freiheitskämpfer und späteren Staatspräsidenten zur Zeit des Vietnamkrieges, in die Disco hängt. Vietnam - Menschen, die zu sechst auf einem Motorroller hocken, im morgendlichen Verkehrschaos, das für den Europäer außerhalb jeglicher Vorstellung bleibt; Frauen, die am Straßenrand ihre (Reis-) Mahlzeiten zubereiten oder sich die Haare waschen; Handygeklingel und Wasserbüffel nebeneinander auf der Straße – ein kleiner Altar für die Ahnen selbst im modernsten Copyshop – Tradition, Geschichte und moderne Zukunft dicht beieinander. »Xin chao« - guten Tag - soviel haben wir drauf, aber damit wären dann 50% unseres vietnamesischen Wortschatzes auch schon erschöpft (die anderen 50% sind »com'on« - danke). Eine Sprache zu lernen, deren Aussprache in sechs verschiedenen Tonlagen stattfindet und dann jeweils andere Bedeutung hat, ist sicher ein langwieriges Unterfangen.

Es ist auch so kompliziert genug, unsere Besuchergruppe ist international gemixt: Becky, Jim und Carl kommen aus den USA, Georges aus Frankreich, John Oishi und seine Begleiterin aus Japan, Brigitte, Rainer, Birgit, Michael und Rosi aus Deutschland. Gemeinsam mit unseren vietnamesischen Partnern wollen wir für das Projekt »Dorf der Freundschaft« Planungen für die nähere Zukunft besprechen. Die Vielfalt der Nationalitäten, Mentalitäten und Sprachen, die dieses Projekt vereint, ist an sich schon eine große Herausforderung. Aber es geht um mehr: Neben dem Aufeinandertreffen unterschiedlichster Kulturen ist hier auch der Ort für die Begegnung früherer Feinde, ehemaliger Soldaten, die hier gekämpft haben. Es geht um die Versöhnung zwischen Menschen, deren Regierungen diese Versöhnung bisher noch nicht zustande gebracht haben.

Kriegsopfer in der dritten Generation

Das »Dorf der Freundschaft«, entstanden aus dem Wunsch nach Versöhnung, ist heute ein Ort, an dem ganz konkret Hilfe möglich ist für ca. 150 Menschen: vietnamesische Veteranen, deren Leben und Gesundheit von ihrem Kriegseinsatz gezeichnet sind; geistig wie körperlich behinderte Kinder, deren Eltern oder Großeltern im Krieg Agent Orange ausgesetzt waren. Das von der US-Army gesprühte Entlaubungsgift wirkt chromosomenschädigend; inzwischen spricht man in Vietnam von ca. einer Million betroffenen Menschen. In der mittlerweile dritten Generation nehmen diese Erbschädigungen sogar wieder zu. Die Taktik der Verantwortlichen in Amerika, das Problem auszusitzen und keine Entschädigungen zu zahlen, bis alle in Mitleidenschaft gezogenen Personen gestorben sind, geht in diesem Fall nicht auf, weil die Opfer sogar vermehrt »nachgeboren« werden. Kinder kommen als Kriegsopfer auf die Welt, in einem Land, in dem der Krieg seit 27 Jahren beendet ist.

Rund 150 Menschen, Kindern und Erwachsenen, bietet das Dorf der Freundschaft eine gesicherte Zukunft Rund 150 Menschen, Kindern und Erwachsenen, bietet das »Dorf der Freundschaft« eine gesicherte Zukunft

Als Teil des »Internationalen Komitees für das Dorf der Freundschaft«, war unsere Gruppe Ende Oktober/Anfang November in Hanoi, um zu überlegen, wie es mit dem Projekt weiter gehen kann. Vieles ist erreicht worden in den zwei Jahren seit unserem letzten Treffen: Ein Haus für schwer mehrfachbehinderte Kinder wurde gebaut, ein »Kulturhaus« mit einem großen Versammlungsraum und einer Schneidereiwerkstatt im ersten Stock ist entstanden. Die Jugendlichen, die dort nähen lernen, sind zum einen behinderte junge Menschen, die im Dorf der Freundschaft wohnen, andere kommen von außerhalb, um hier zu lernen. Die Produkte, Kleidungsstücke wie Hemden und Jacken z.B., sind teils für die Bewohner des Dorfes bestimmt, werden aber auch verkauft, um zu den laufenden Kosten des gesamten Dorfes beizutragen.

In einer weiteren Werkstattgruppe werden traditionelle Papierblumen für Tischgestecke hergestellt - und dies inzwischen so kunstfertig, dass die Blumen von echten kaum zu unterscheiden sind. Eine weitere Gruppe behinderter Kinder und Jugendlicher stellt Stickerei-Arbeiten her; es gibt mehrere Schulklassen für Menschen mit geistiger Behinderung im Dorf der Freundschaft; einige der Kinder können auch in die Regelschule des angrenzenden Dorfes gehen.

Kinder und Jugendliche stellen z.B. Stickereiarbeiten her Kinder und Jugendliche stellen z.B. Stickereiarbeiten her

Es ist deutlich, dass das Dorf der Freundschaft ein gefragter Ort der Hilfe ist, und so haben wir gemeinsam entschieden, es noch zu vergrößern. Dann sollen 200 Menschen hier leben und arbeiten können.

Ein weiteres Haus für behinderte Kinder soll gebaut werden; ein Verwaltungsgebäude soll entstehen, so dass die dafür bisher genutzten Räume eines Wohnhauses auch noch für Kinder zur Verfügung stehen können.

Auch die Basisgesundheitsstation, die ganz gezielt die Züchtung traditioneller vietnamesischer Heilpflanzen und deren Verarbeitung zu Arzneimitteln betreibt, soll erweitert werden. Auch Akupunktur wird dort als Behandlungsmöglichkeit angeboten.

Auch eine Gesundheitsstation gehört zum Dorf
Auch eine Gesundheitsstation gehört zum Dorf

Langfristig ist der Bau einer Berufsbildungseinrichtung geplant, die als »joint venture« mit einheimischen Unternehmen geführt werden und sowohl Jugendlichen, die im Dorf der Freundschaft leben, wie auch Jugendlichen von außerhalb eine Ausbildung ermöglichen soll. Auch hier wird der Verkauf der hergestellten Produkte einen Teil der laufenden Kosten des Dorfs decken müssen.

So sehen die Häuser des Dorfes aus, für das ein internationales Komitee weiterhin Spenden sammelt So sehen die Häuser des Dorfes aus, für das ein internationales Komitee weiterhin Spenden sammelt

Trotz all dieser Ansätze zur wirtschaftlichen Eigenständigkeit wird das Dorf der Freundschaft sicher noch einige Zeit auf Unterstützung von außen angewiesen sein. Die Wertschätzung und Unterstützung von Seiten der vietnamesischen Regierung wurde uns bei einem Empfang beim Vize-Premierminister des Landes versichert. Dies zeigte uns neben der großen Medienpräsenz erneut die Bedeutsamkeit dieses Projektes für die vietnamesischen Partner.

Freunde und Hilfe aus aller Welt

Als internationale Gruppe werden wir auch weiterhin gemeinsam daran arbeiten, das benötigte Geld zusammenzubekommen. Der deutsche Unterstützerverein wird auch künftig Vietnam in Erinnerung rufen und um Hilfe bitten, denn neben all dem Positiven, das wir gemeinsam geschaffen haben, haben wir bei dieser Reise auch gesehen, was alles noch nötig ist.

Wirtschaftliche Unterstützung ist dabei das Eine. In Zukunft geht es aber auch noch vermehrt darum, das Alltagsleben im Dorf mitzugestalten. So haben sich immer wieder einzelne Menschen oder kleine Gruppen, die sich eine Zeit lang in Asien bzw. speziell in Vietnam aufgehalten haben, mit verschiedenen Aktionen an der Entwicklung des Dorfs beteiligt. Einzelne Personen haben ihre jeweiligen Fertigkeiten eingebracht und für befristete Zeiträume (manche für einige Tage, andere für Wochen oder Monate) im Dorf der Freundschaft mitgewirkt und seinem Namen auch auf diese Weise zu seinem Recht verholfen.

Der Krieg mag lange vorbei sein, aber seine Opfer werden auch heute noch geboren: Kinder, deren Großeltern in Südvietnam lange Jahre gekämpft haben und den Giften ausgesetzt waren; deren Eltern vielleicht Symptome hatten (Fehlbildungen der Gliedmaßen z.B.) und die dann, wie z.B. der 4-jährige Nam, mit zwei winzigen Stummeln anstelle der Beine geboren werden. Diese Kinder und ihre Familien brauchen unsere internationale Hilfe, denn Vietnam zählt immer noch zu den ärmsten Ländern der Welt.

Wir können die Welt nicht als Ganzes verändern, aber jeder kann einen Beitrag dazu leisten, dass sich etwas verändert. »You can make a difference« diese Überzeugung hat George Mizo, der mittlerweile verstorbene Gründer des Projektes, selbst vorgelebt und sie in vielen Gesprächen mit jungen Menschen, darunter auch vielen Zivildienstleistenden, weiter gegeben: Es geht darum, diese Welt mit zu gestalten und sie, wo es uns möglich ist, ein klein wenig menschlicher zu machen. Ein kleiner Beitrag vielleicht - aber möglicherweise eben der entscheidende »kleine Unterschied«!

Weitere Informationen über das Projekt im Internet unter http://www.dorfderfreundschaft.de,

info(at)dorfderfreundschaft(punkt)de
Rosi Höhn-Mizo, Pfarrstr. 3,
74357 Bönnigheim-Hofen, 0 71 43 / 24 89 1.

Spendenkonto: Dorf der Freundschaft e.V.,
Konto-Nr. 58 937 005,
Erligheimer Bank, BLZ 600 696 69

Noch heute leiden kleine Kinder unter den Spätschäden des Vietnamkrieges
Noch heute leiden kleine Kinder unter den Spätschäden des Vietnamkrieges